„Kramers Bauten gehören dem Gemeinwesen – ihr Abriss wäre eine Schande“
Alexander Kluge im Gespräch
Herr Kluge, derzeit ist das Erbe Ferdinand Kramers in Frankfurt akut von Abriss und Verschwinden bedroht. Dieses Entsorgen einer bestimmten Tradition lässt sich zum einen in den Kontext eines an vielen Orten zu beobachtenden Verschwindens der Moderne einordnen, in Frankfurt steht es jedoch noch in einem anderen, spezifischen Kontext im Hinblick auf die Tradition der Frankfurter Schule, die in vielerlei Hinsicht an den Rand gedrängt zu werden und aus der Öffentlichkeit zu verschwinden droht. Das lässt sich auch festmachen an der Weise wie sich die Universität heute verändert.
Ferdi Kramer wurde aus den USA, also aus der Emigration, von Horkheimer und von Frieder Rau, dem damaligen Kurator der Universität, hergeholt, weil das dem Universitätskonzept entsprach, das dann von 1962 an zu ’68 führte. Und das ist modern, das ist sozusagen Bauhaus, das ist sozusagen eine Disziplin und ein modernes Denken, das sich hier in Architektur umgesetzt hat und das auf der Höhe der kritischen Theorie ist. Das sind nicht nur Kunstdenkmäler, das sind auch schöne, zärtliche, praktische Gebäude. Die haben eine Schönheit. So wie etwa Klee im Bauhaus gearbeitet hat, so verbindet Ferdi Kramer Kunst und praktischen Gebrauchswert, und zwar in einer idealen und radikalen Weise. Diesen großen Künstler abzureißen, das ist eine Affenschande, das kann man wirklich sagen ohne hier zu leben, das kann man von einem internationalen Blick aus sagen. Und ich kann es einfach nicht verstehen, dass man zugleich diese Bombastbauten baut – und auch die Universität hier baut ja Kompaktbauten. Das ist nicht etwa konservativ, das ist unpraktisch, das ist eine reaktionäre Bauweise. Damit verbunden ist, dass man sich an diesen sehr schönen, filligranen Gebäuden vergreift. Das kann ich eigentlich nicht wirklich verstehen und kann es auch nicht der Zeit zuschreiben, sondern das ist irgendwie eine Frustration einer Goldgräberstadt, bei der die reichen Leute in Kronberg oder eben in der Umgebung wohnen, und gewissermaßen nur bestimmte Zwangspflichten, also die Hochhäuser, die Geschäftsviertel und die Versorgungseinrichtungen, hier im Stadtzentrum bleiben. Und wenn Menschen verdrängt werden von dem, was sie als Stadt eigentlich bewohnen und in die Umgebung gedrückt werden, dann werden sie aggressiv, und diese Aggression mag sich hier ausdrücken.